Dienstagmorgen,
7 Uhr, ich gehe ins Bad, halte mich am Türrahmen fest, merke, wie
ich in Watte eingehüllt werde, schleppe mich noch zur Toilette, um
mich hinzusetzen... Das Nächste, was ich wieder mitbekomme, dass ich
auf dem Boden im Bad liege, mein Kopf tut weh, ich kann nicht gut
atmen. Ich bekomme Angst, panische Angst, mein Herz rast. Die große
Motte ist noch da, schießt es mir durch den Kopf. Ich rufe sie,
mehrfach, erst dann hört sie mich. Bitte sie, mir mein Handy zu
holen. Ich komme nicht vom Boden hoch. Rufe meinen Hausarzt an und
gott sei Dank geht er schon ans Telefon (zu der Zeit
wohnen wir in einem 2500 Seelendorf). Er kommt vorbei. Ich
wollte an diesem Morgen eh zu einem Arzt, da mir ein Bein immer so
weh tat. An eine Thrombose habe ich zu dem Zeitpunkt nicht gedacht,
warum auch, das war doch eine Alte-Leute-Krankheit. Ich merkte, dass
mein Hausarzt sich unschlüssig war. Er untersuchte mich und bat mich
dann, später in seiner Praxis vorbeizuschauen. Er half mir ins Bett.
Später,
der Weg war eigentlich nur 10 min zu Fuß zu seiner Praxis, aber ich
brauchte bestimmt eine halbe Stunde, bekam keine Luft, musste immer
wieder stehenbleiben. In der Praxis noch mehr Untersuchungen, zum
Schluss der Verdacht auf Thrombose mit Lungenembolie und er rief
einen Krankenwagen, damit ich in die Klinik kam. Meine Tränen liefen
nur noch so. Mein erster Gedanke war die große Motte. Ich war zu dem
Zeitpunkt zwar kein Single, wir hatten aber noch eine Fernbeziehung,
mein Prinz und ich. Die große Motte war in der Schule, ich hatte sie
fahren lassen. Später erfuhr ich, dass sie sich einen Riesenkopf um
mich gemacht hatte. Ich rief die Mutter ihrer Freundin an, damit sie
wenigstens nach der Schule nicht allein daheim war, wenn sie es
erfahren sollte, da ich einen längeren Krankenhausaufenthalt
vermutete.
In der Klinik angekommen, bestätigte sich der Verdacht. Es wurden weitere Untersuchungen und Tests gemacht, um herauszufinden, woher die Thrombose kommen könnte. Die erste Nacht auf der Intensivstation. Geschlafen habe ich kaum. Meine Gedanken kreisten immer wieder um die große Motte. Wer kümmerte sich um sie? Bei wem konnte sie bleiben? Natürlich hatte ich meinen Prinzen informiert, aber – jedenfalls nahm ich das an – er konnte ja auch nicht einfach mal so weg von der Arbeit. Nun, falsch gedacht, am nächsten Tag stand er einfach mal so im Zimmer bei mir im Krankenhaus. Meine Tränen versiegten endlich einmal. (Die große Motte hätte zwar bei ihrer Freundin ein paar Tage bleiben können, aber es war mir lieber, wenn sie in ihrer gewohnten Umgebung bliebe.) In diesem Moment wusste ich, es war der Richtige. Nicht, weil er alles stehen und liegen ließ für mich, sondern weil ich mich sicher aufgehoben fühlte bei ihm. Dennoch nervte ich die Ärzte so, dass ich nach 10 Tagen schon entlassen wurde. Mein Hausarzt erkundigte sich auch immer wieder im Krankenhaus nach mir, ich habe mich danach auch ganz doll bei ihm bedankt. Wer weiß, was noch gekommen wäre, wenn er nicht gleich nach mir gesehen hätte an jenem Morgen.
Der Prinz hatte nur Unsinn im Kopf |
Wie
wird diese Krankheit behandelt? Im Krankenhaus bekam ich dann
Heparinspritzen. Diese sollten dafür sorgen, dass das Blut flüssiger
ist und somit den Thrombus, den Verursacher der Thrombose bzw. der
Lungenembolie, aufzulösen. Nach Entlassung wurde ich mit
Marcumar-Tabletten eingestellt und musste immer wieder das Blut
kontrollieren lassen. Nach ca. 6 Wochen konnte ich dann auch wieder
zur Arbeit gehen. Mittlerweile muss ich keine Tabletten mehr nehmen,
das Blut wird aber regelmäßig kontrolliert.
Wenn
ich lange Strecken mit dem Auto fahren muss oder mit dem Flugzeug in
den Urlaub möchte, muss ich Thrombosestrümpfe anziehen und mir
Heparin spritzen. Auch wenn ich z. B. nur mal länger im Bett liege,
wie letztes Jahr mit der Grippe, bekomme ich Heparinspritzen, ebenso
wie nach Operationen. Gerade bei ärztlichen Behandlungen muss
unbedingt angegeben werden, dass man ein solches Mutationsfaktor-Leiden hat. Ebenso für Frauen ist es sehr wichtig,
dies bei ihrem Gynäkologen anzugeben, denn dann sind
Hormon-Verhütungsmittel (Pille, Spirale) verboten. Übrigens muss
man sich auch in der Schwangerschaft Heparin (oftmals) spritzen, wenn man ein
Mutationsfaktor-Leiden hat. Von unseren 3 Kindern haben die große
Motte und das Würmchen auch diesen Gendefekt. Das haben wir bald
testen lassen, da es ja eine Erbkrankheit ist. Des Weiteren sollte
man sich weitestgehend gesund ernähren, Sport treiben und nicht
rauchen.
Übrigens
heißt diese Krankheit „Leiden“, weil es erstmals in der
niederländischen Stadt Leiden erkannt wurde. Nicht, weil man
darunter „leidet“ 😉 Nun, leiden tut der ein oder andere
vielleicht, aber wenn man alles befolgt, „leidet“ man darunter
nicht unbedingt. Man muss nur gewisse Vorschriften befolgen, dann
geht es einem gut.
Warum
nun diese Überschrift zu diesem Artikel? Ich war vorher schon
relativ selbstbewusst und habe mir (fast) nichts
gefallen lassen. Als ich danach aber immer wieder zu hören bekam
„und Sie leben noch? Da haben Sie aber viel Glück gehabt!“,
wurde mir erst bewusst, dass ich dem Tod tatsächlich im wahrsten
Sinne „von der Schippe gesprungen war“. Oftmals gehen
Lungenembolien nämlich tödlich aus. Noch heute läuft es mir kalt
rieselnd den Rücken hinunter, wenn ich daran denke, was wäre wenn.
Das darf ich gar nicht so oft machen. Ich denke, auch dadurch bin ich
härter geworden. Härter zu mir selbst, härter im Leben. Ich lasse
mir nichts mehr gefallen und auch wenn ich dadurch irgendwo
anecke...ich mache das, was MIR gut tut und das ziemlich bewusst!
Es
klingt hart und egoistisch, ist es im großen Sinne auch. Allerdings
bin ich bisher damit gut gefahren. Natürlich versuche ich, mir
selbst treu zu bleiben, aber ich habe mich dadurch verändert, das
weiß ich. Die mich kennen, wissen das. Die mich kennen, akzeptieren
das. Die mich kennen, scheinen mich so zu mögen, wie ich bin 😉
In
diesem Sinne wünsche ich Euch so etwas, was mir passiert ist,
NIEMALS! Ihr könnt aber gerne einen Kommentar hinterlassen, wenn
Euch auch mal etwas im Leben passiert ist, wo Ihr danach Euer Leben
verändert habt.
Eure
Ivi
Liebe Ivi
AntwortenLöschenDu musst einfach mehr an dich denken. Das nenne ich gesunder Egoismus. Mir nur gerade von deinem Arzt schockiert. Er hilft dir ins Bett? Du sollst später bei ihm vorbeischauen. Meine Güte, du hättest "SOFORT" ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Alles Gute für Dich.
Ganz liebe Grüße,
Gisela
Liebe Gisela,
Löschenmittlerweile mache ich das ja ;) Deswegen dieser Artikel, weil manche Menschen denken, ich sei egoistisch ;)
Ja, heute wissen wir alle, dass ich hätte sofort ins KH gemusst, aber es waren eben nicht die "typischen" Beschwerden einer Thrombose gegeben. Das Bein tat "nur weh", nicht übermäßig. Es war auch nicht heiß und ich hatte keinerlei andere Symptome. Ich denke, er war als "Dorfarzt" einfach mit der Situation überfordert. Dennoch danke ich ihm, denn er hat danach alles in seiner Macht Erforderliche getan und war auch danach für mich da, in jeder Situation (vor allem, wo ich dann noch schwanger wurde, es aber eigentlich nicht hätte sein dürfen....das ist aber eine ganz andere Geschichte).
LG Ivi